Eine meiner liebsten Rubriken auf meinem ehemaligen YouTube-Kanal war „Herzteile“: Eine Show, in der ich über Spiele und Spielereihen gesprochen habe, die mir besonders am Herzen liegen. Und auch wenn ich hier bestimmt einmal bereits behandelte Titel neu aufrollen werden, soll den Start ein komplett frischer sein. Die Wahl fiel auf einen Klassiker, den ich mittlerweile für eines der brillantesten Spiele aller Zeiten halte: Tetris.
Jetzt ist das Geschrei groß. Tetris? Wirklich?
Und ich kann das nachvollziehen. Zum einen ist es fast schon ein Klischee Tetris als Meisterwerk zu bezeichnen; und im Vergleich zu anderen Spielen mag es wirklich unspektakulär wirken. Böse Zungen könnten behaupten, dass das Prestige des Titels einzig daher stammt, dass er halt so früh „da war“.
Ich kann niemandem böse sein, der mit so einem Gedanken an die Sache herangeht. Allerdings möchte ich euch aus meinen Augen erklären, was die Brillanz von Tetris ausmacht. Ich versuche nicht nur zu zeigen warum ich über die Jahre hinweg eine solche Begeisterung für das Spiel entwickelt habe, sondern sogar belegen, dass Tetris und Dark Souls fast das gleiche Spiel sind.
„Mein Gott, ist dieses Spiel öde!“
… , denkt sich mein 5-Jähriges Ich, das nicht verstehen kann wie seine Eltern lieber Tetris als Super Mario Bros. auf dem NES spielen. Mario hat rasante Action, fantasievolle Welten mit Prinzessinnen und Drachenschildkröten! Tetris hat… fallende Blöcke… Hurra.
Natürlich hat mich das nicht davon abgehalten meine Portion an Steinen in Lücken zu packen. Man hat damals halt genommen was man bekommen hat. Es hat den Release von Tetris DS gebraucht, um mich im Alter von 19 Jahren zum ersten Mal richtig an das russische Puzzle-Spiel zu fesseln.
Stundenlang saß ich vor meinem Handheld und habe versucht weiter und weiter zu kommen. Es war das erste Mal, dass ich den Rausch von Tetris auf hohem Niveau gespürt habe. Sobald die Gravitation der Steine auf dem Maximum ankommt und man beginnt mehrere Züge im Voraus zu planen, war mir klar: Das Hasenloch ist tiefer als erwartet.
Nachdem ein Jahr vergangen war, hilt ich mich selbst für einen sehr fähigen Tetris-Spieler. Es war mir in der DS-Version möglich schier unendlich lange am Leben zu bleiben. Das Spiel war für mich förmlich gelöst. Mein Reality Check kam dann mit dem folgenden Video:
Die Version, die in dem Video zu sehen ist, ist Tetris: The Grand Master 3, die dritte Version der Grand Master-Reihe, die von Entwickler ARIKA in den japanischen Arcades erschienen ist. Mir wurde nicht nur klar wie groß der Skill-Unterschied zwischen mir und dem gezeigten Spieler ist (vor allem wenn das Spielfeld unsichtbar wird), sondern etwas, was ich zuvor auch nicht wusste:
Tetris ist nicht gleich Tetris
Natürlich gibt es Unterschiede zwischen Tetris-Versionen, die für jeden Offensichtlich sind: Mal ist es möglich einen Stein im „Hold“ für eine spätere Verwendung zu speichern oder es variiert die Anzahl der Steine, die in der Vorschau gezeigt werden. Aber tatsächlich gibt es essenzielle Unterschiede innerhalb der Spiele-Engine, die drastische Auswirkungen darüber haben, wie sich der Titel anfühlt.
Das, was mir zuerst aufgefallen ist, ist der „Lock Delay“. Dieser bestimmt das Verhalten eines Tetris-Steins, sobald er den Boden oder einen anderen Stein berührt. Die meisten werden Tetris für den Gameboy oder NES gespielt haben. Hier ist der „Lock Delay“ sehr kurz. Kaum berührt ein Stein den Boden, sitzt er dort fest.
In dem von mir lange gespielten Tetris DS ist der „Lock Delay“ sehr gnädig. Man kann Steine noch lange nachdem sie Unten angekommen sind drehen, und mir dem richtigen Timing sogar stellenweise den Turm hinauf klettern.
Es gibt also im Grunde für jeden Spieler das passende Tetris. Auf zwei Varianten möchte ich kurz besonders eingehen.
Tetris: The Grand Master (ARIKA-Tetris)
Für mich ist Tetris: The Grand Master (TGM) der heilige Gral. Nachdem ich das obige Video, welches TGM3 zeigt, gesehen hatte, wollte ich immer einmal diese Version spielen. Zwar gab es einen Spin-Off der Reihe für die Xbox 360 in Japan, die drei „echten“ TGM sind bis Heute aber nur in der Arcade erschienen. Mir gefällt hier besonders das Regelwerk; wie das Spiel einem erlaubt Steine bereits beim Betreten des Spielfelds zu rotieren, die fordernde, faire Zeit des „Lock Delay“ und wie das Spiel einen mit unterschiedlichen Rängen bewertet.
Mit dem Showcase von TGM auf dem Speedrun-Marathin Awesome Games Done Quick 2015 wurde mein Interesse an der Grand Master-Version wieder geweckt. Vor allem nachdem ich mich mit den tieferen Mechaniken von TGM auseinander gesetzt und die vielen kleinen Techniken verstanden hatte. (Ich LIEBE es über die Mechaniken von Spielen zu erfahren).
Also habe ich mir einen gut konfigurierten Arcade-Emulator geschnappt und spiele seit dem TGM1 und TGM2. Weniger als mir lieb ist – und auch noch nicht auf dem Grand Master-Rang – aber es ist mittlerweile meine absolute Lieblingsversion von Tetris.
Battle Tetris (SEGA-Tetris)
Der Versus-Mode von Tetris war schon auf dem Gameboy eines der großen Marketing-Punkte. Ich kann mich auch noch gut erinnern, wie ich Stunden meines Lebens gegen meinen Vater gespielt (und kläglich verloren) habe. Während TGM die Spitze des Single Player-Tetris ist, hat SEGA immer weiter daran geschraubt wie Tetris im Mehrspieler-Modus funktioniert. Der Spielstil und die Strategie unterscheidet sich drastisch von der Spielweise einer „regulären“ Runde. Während man im Einzelspieler versucht möglichst viele Tetris nach einander abzuräumen, gilt es im Battle Tetris darum, den Gegner stetig unter Druck zu setzen.
Jede Linie, die man abräumt wird Teil einer Combo. Sollte man direkt im Anschluss weitere Steine löschen bleibt die Combo am laufen. Erst wenn dieser Fluss gebrochen ist, wird dem Gegner eine Masse an Steinen auf sein Spielfeld geschickt. Die Höhe der Combo macht dabei aus, wie groß diese Menge an Steinen ist.
Spielt man nun einen „klassischen“ Stil mit einem Brunnen von einem Stein Breite, so ist es sehr schwer eine solche Kette ins Rollen zu bekommen. Immerhin passen nur wenig Steine in eine Lücke, die nur die Breite von einem Block hat. Spieler bauen darum Brunnen mit einer Breite von zwei bis vier Blöcken, um zu gewährleisten, dass mehr Steine diese Lücken füllen können. Diese Technik nennt sich 2-Wide (oder respektiv 3-Wide, 4-Wide) und ist beeindruckend anzuschauen.
Als großer Freund von kompetitiven Videospielen habe ich viel Gefallen an Battle Tetris gefunden. Zum Glück ist die Beste Version diese Variante – Puyo Puyo Tetris – auf allen aktuellen Konsolen und Steam verfügbar.
Und was hat Tetris nun mit Dark Souls zu tun?
Kommen wir zum Schluss noch zu dem Punkt, den ich bereits im Titel dieses Beitrags angesprochen habe: Tetris und seine Verbindung zu Dark Souls. Und keine Sorge, ich will hier nicht das Klischee bedienen und sagen „Tetris ist das Dark Souls der Puzzle-Spiele“.
Viel mehr geht es mir darum zu zeigen, wie Tetris bereits alle Aspekte aufgegriffen hat, die das Gameplay von Dark Souls so beliebt machen. Natürlich spielen auch andere Faktoren in die Qualität von Dark Souls hinein: Die düstere Welt, Grafik und tiefe Geschichte. Allerdings ist es das Kampfsystem und der Gameplay-Loop im Kern der Souls-Titel, welche viele Spieler fesseln: In Dark Souls lernt euer Charakter keine neuen Fähigkeiten. Alle Werkzeuge das Spiel zu meistern sind euch von Vorn herein gegeben. Es liegt an euch diese zu meistern und zu lernen diese zu ihrem vollen Effekt zu nutzen. Das macht die Reihe auch so belohnend. Wenn ihr euch mit Leichtigkeit durch eine Passage kämpft, die euch zuvor das Blut hat in den Adern gefrieren lassen, und ihr nun durch korrektes Ausweichen, Parieren und Zuschlagen als Sieger hervorgeht, fühlt ihr das ihr selbst es seid, der ein neues Level erreicht hat. Gepaart ist das mit dem Bedürfnis seine Grenzen jedes Mal auf’s Neue zu testen. Ein klein wenig weiter in die Dunkelheit vordringen zu wollen.
Und hier kommen wir zu Tetris. Alle Techniken – und seien sie noch so komplex – liegen dem Spieler von Anfang an vor. Das Spiel wird stetig schwerer und wird diese Techniken einfordern. Und während es zu Beginn vielleicht nur bis zu einem gewissen Level reicht, so meistert ihr die Mechaniken und kämpft euch beim nächsten Anlauf weiter. Zu schwereren Leveln, zu höheren Scores. Wenn ihr verliert, gibt es niemandem, dem ihr die Schuld geben könnt, außer euch selbst. Mit dem erreichen jedes neuen Meilensteins wächst die Motivation und die Frage „Wie weit kann ich gehen“.
Tetris ist ein Sinnbild für Selbstverbesserung und motivierendes Gameplay. Und das aus einer Zeit, als die Branche noch nicht einmal in Kinderschuhen steckte, sondern gerade einmal das Krabbeln gelernt hatte. Und darum ist Tetris ein Meilenstein und sollte auch Heute noch genau so viel Aufmerksamkeit bekommen, wie damals.